Meditieren für Gerechtigkeit - OccupyLA
Der erste offensichtliche Unterschied zwischen OccupyLA und Occupy Wall Street in New York, sind die Temperaturen. Bei 35 Grad im Schatten lief mir schon beim kurzen Weg vom Parkplatz zu der Wiese mit den bunten Zelten Schweiß den Rücken hinunter.
Kaum an den Treppen des Rathauses angekommen bot sich ein LA - typisches Bild: Menschen saßen mit geschlossenen Augen im Schneidersitz und meditieren. In diesem Fall angeleitet von Bestsellerautorin Marianne Williamson, die mit Büchern über Spiritualität, Wunder, Beziehungen und Feminismus ihr Geld verdient. Sie forderte gerade die mit ihr meditierenden Demonstranten auf, stark, gewaltfrei und engagiert zu bleiben und allen denen, die sie verhöhnen zu sagen: „Wir lieben euch.“
Der erste Eindruck mag dazu beitragen, Los Angeles als nicht ganz ernstzunehmenden Ort des Protests von Alt- und Neu-Hippies abzutun. Bei genauerem Hinsehen und Hinhören stellt sich heraus: zwischen improvisierter Bücherei, Essensausgabe, Spendenkiosk, Internetcafe und Medienzentrum finden wichtige Diskussionen um die Zukunft der USA statt. Als ich da war, erklärte gerade ein Berkeley-Absolvent in einem spontanen Seminar am Beispiel von Hamburgerkoch und Schirmverkäufer Grundlagen des Bankenwesens. Ein Mittfünfziger flehte mich an, der Welt zu erklären, dass Los Angeles nicht in einer Traumwelt lebe. Schließlich finde der Protest nicht vor Hollywoodvillen sondern vor dem Rathaus statt. Es gehe darum, Politik zu beeinflussen „Wir müssen erkennen, dass viele von uns im selben Boot sitzen. Wir sind nicht faul und nicht einfallslos. Wir arbeiten hart. Wir sind keine Looser-Groovie-Hippies,“ sagte Joel, ein Schauspieler und Synchronsprecher, und diskutierte dann weiter mit anderen Protestteilnehmern über Wahlkampffinanzierung.
Ich sah vor dem Rathaus in Los Angeles eine bunte Mischung von Menschen, die mehr Gerechtigkeit in allen Bereichen der Gesellschaft fordern und den Einfluss von Geld auf Politik verringern wollen. Viele von ihnen hofften vor drei Jahren, dass Präsident Obama diese Veränderungen herbeiführen würde. Ihnen ist klar geworden, dass sie selbst mehr tun müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Im Gegensatz zu Anhängern der Tea Party, die auf freie Märkte und weniger Regierung setzen, glaubt die Occupy-Bewegung, dass Regierungen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer gerechten Gesellschaft spielen und Finanzmärkte reguliert werden müssen.
„Ich bin weder Anarchistin noch Kommunistin“, erklärte mir die 27 jährige arbeitslose Verwaltungswissenschaftlerin Claire, die seit Beginn von OccupyLA vor dem Rathaus übernachtet und Teil des Finanzteams ist. „Dinge müssen sich ändern, aber ich glaube immer noch daran, dass unser Regierungssystem, einiges zu bieten hat, wenn wir es ändern und weiter entwickeln.“
Nach diesen Gesprächen hoffe ich, dass die Demonstranten mit oder ohne Meditation stark, gewaltlos und engagiert bleiben, damit sie im Wahlkampf 2012 und danach als politische Kraft ernstgenommen werden können.