Tu mutig, was Dir Freude macht
Was für ein Leben! Ich komme aus dem Staunen nicht heraus während mir der 94 jährige Walter Munk aus Wien in seinem Haus am Pazifik erzählt, wie er als Teenager mit einem Ozeandampfer von Le Havre nach New York kam, später Weltgeschichte beeinflusste: seine Forschung war Auslöser dafür, dass die Landung der Alliierten in der Normandie um einen Tag verschoben wurde auf den 6. Juni 1944 und mehrere Monate auf Expedition im Pazifik mit Frau und zwei Töchtern das Leben in einem abgeschiedenen Inseldorf ohne fließendes Wasser und Strom genoss.
Aber der Reihe nach. Zurück ins Jahr 1932: Walters Mutter hatte genug davon, dass der 15 jährige lieber Tennis spielte und Ski fahren ging als für die Schule zu lernen. Als Walter sitzen blieb war sein Schicksal besiegelt: er wurde zum Großonkel nach New York geschickt und sollte bei dem ins Bankgeschäft einsteigen. “Ich habe jede Minute gehasst! Wie langweilig!” Bis heute hasst Walter Munk nichts mehr als Langeweile. Drei Jahre hielt er es aus in der Bank, dann kaufte er ein Auto und fuhr nach Kalifornien. 18 Jahre alt war er damals und fand die spanischen Straßennamen aus Prospekten von der Westküste zu verlockend!
Walter Munk sagt, er hat Glück gehabt, dass alles kam wie es gekommen ist. “Glück” ist eines seiner Lieblingswörter! An der Westküste hat er nämlich seine Liebe zur Geophysik und zur Meeresforschung entdeckt. Mit Leidenschaft untersucht er bis heute Erdspalten, Wellenbewegungen, Erdrotation, Unterwassertöne und Erderwärmung. Als Mitarbeiter des Scripps Institutes für Ozanographie reiste er auf Forschungsexpeditionen um die ganze Welt, meldete sich nach dem ‘Anschluss’ Österreichs zur US-Armee und holte seine Mutter nach Kalifornien. Mit seinem Lehrer und Mentor Harald Sverdrup entwickelte Munk eine Methode zur Vorhersage von Wellenbewegungen an Küsten und deren Konsequenzen für Amphibienlandungen. Diese Forschung zog General Eisenhower bei der D-Day-Planung zu Rate und verschob die Landung der Alliierten an der französischen Küste um einen Tag.
Walter Munk blieb bescheiden. Sprechen andere von seinem Talent, Pioniergeist, manchmal unorthodoxer und oft bahnbrechender Forschung, sagt er verschmitzt lächelnd: “Ich bin Pionier weil ich keine Lust habe, viel zu lesen. Ich forsche lieber auf Gebieten, wo es noch nicht viel Literatur gibt.”
Sieben Tage in der Woche arbeitet er bis heute. Sein Schreibtisch - ein Unikat aus einem vor der Küste Kaliforniens gesunkenen Schiff - verschwindet unter Papieren, Grafiken und Briefen. Im Amphitheater seines Gartens am Pazifik, das seine Frau Judith entworfen hat, spielen regelmäßig mehrere Schauspieltruppen und einmal im Jahr kommen neue Studenten des Scripps - Institutes auf die Terrasse zum Grillen. Oft reist Munk nach Europa, macht Abstecher nach Wien und in das Dorf am See, wo er lieber Tennis spielte als Hausaufgaben zu machen. “Ich hatte Glück”, sagt er wieder “Ich habe immer gemacht, was mir Freude macht.” Dann schaut er mich spitzbübisch an und fügt hinzu: “Ich kann sehen: Sie haben auch dieses Glück. Wir sitzen beide im selben Boot!”
Recht hat er!