Der Meister des Oscar-Wahlkampfs
Zugegeben - der Zirkus um die Nominierung des republikanischen Kandidaten für das US-Präsidentschaftsamt ist eine preisverdächtige Show. Wir in Los Angeles haben derzeit allerdings einen mindestens ebenbürtigen Wahlkampf zu bieten: den um die Oscars.
Selbst ich werde seit Wochen bombadiert mit Filmwerbung: ganzseitige Anzeigen und Glanz-Beilagen in der Tageszeitung, Fernsehspots und Star-Interviews auf allen Kanälen. Man könnte fast meinen, Menschen wie ich haben etwas zu sagen in diesem Kampf um die goldenen Statuetten mit dem lustigen Namen.
Haben wir natürlich nicht. Darüber entscheiden ausschließlich die fast 6000 Akademiemitglieder und die sind selbstverständlich unbestechlich. Trotzdem werden auch sie jedes Jahr mit Werbung überschüttet. Die sieht natürlich toller aus, als das was bei mir im Briefkasten und dem Fernseher landet. Die Oscar-Akademiemitglieder bekommen persönliche DVDs, die sie auf Riesenleinwänden in den Entertainmentsälen ihrer Villas in Malibu und Beverly Hills abspielen können. Sie werden zu Partys mit Stars, tollem Essen und reichlich Getränken eingeladen.
Der Meister dieser Extravaganzen ist ein schwergewichtiger Mann aus New York. In den Monaten vor der Oscar-Verleihung - die wir hier die “Award-Season’ nennen - bricht er über Hollywood herein wie eine Riesenwelle. Niemand kann sich seiner Wucht und Macht entziehen: Harvey Weinstein.
Harvey hat ein Team von Wahlkampf-Beratern genau wie die Politiker in Washington. Harvey schickt Spione in Filmpremieren und lässt sich erzählen wie Akademiemitglieder reagieren. Harvey schmeisst die tollsten Parties. In diesem Jahr ist sein wertvollstes Pferd im Oscar-Rennen ein Stummfilm in schwarz-weiss: ‘The Artist’. Ja, sowas schafft nur Harvey, dass so ein Film überhaupt zum Oscar-Favoriten werden kann. Zur Akademie-Vorführung des Films hat Harvey zwei Enkelinnen von Charlie Chaplin eingeladen. So hat er clever und ganz nonchalant eine Verbindung hergestellt zwischen seinem Film und dem Meister der Stummfilmära.
Harvey liebt Kino. Und Harvey liebt den Wettkampf. Im Sport, in der Politik und wenn es um seine Filme geht. Aus der Politik hat Harvey gelernt, dass man manchmal kleine Bomben schmeissen muss, um die Aufmerksamkeit der Massen zu bekommen. Dafür scheut Harvey weder Kosten noch Kontroversen. 1999 hat Harvey ganz Hollywood schockiert. Er startete eine aggressive Multi-Millionen-Dollar-Kampagne für seinen Film ‘Shakespeare in Love’ und gewann den Oscar für den besten Film. Na und? fragen Sie. Wissen Sie wer in dem selben Jahr auch im Rennen war? Ein gewisser Hollywoodliebling und Regisseur des Namens Steven Spielberg mit dem Film ‘Der Soldat Ryan’, in dem ein anderer Hollywoodliebling - Tom Hanks - die Hauptrolle spielt.
In diesem Jahr hat tritt Harveys ‘The Artist’ unter anderem an gegen ein Kriegsdrama mit einem Pferd in der Hauptrolle, gedreht und koproduziert von eben jenem Herrn Spielberg. Wollen wir wetten, wer am Oscarabend die goldene Statuette in der Hand hält?