Literarische Melancholie in der Villa Aurora
{http://soundcloud.com/soundslikerstin/bookworm-silverblatt}
Vor wenigen Tagen trafen sich in der Villa Aurora, dem ehemaligen zu Hause von Lion und Marta Feuchtwanger zwei Buchliebhaber der besonderen Art zum Kamingespräch: Denis Scheck, Literaturkritiker, -agent und -übersetzer aus Deutschland und Michael Silverblatt, Bücherwurm des lokalen Radiosenders KCRW. Seine wöchentliche Sendung wird in den USA von rund 50 Radiostationen ausgestrahlt. Die Überraschung des Abends: der Deutsche ist optimistischer als sein US-Gegenüber was die Zukunft der Literatur angeht.
Normalerweise ist es umgekehrt. Zumindst nach meiner Erfahrung neigen Deutsche dazu, die Gegenwart trübe zu sehen, voller Probleme und schwer überwindbarer Hindernisse, kurz vorm Untergang, ganz zu schweigen von drohenden Katastrophen und Tragödien in der Zukunft. US-Bürger sehen dagegen Chancen, verlockende Herausforderungen und leuchtende Silberstreifen am Horizont. Nicht so an diesem Abend. Der war geprägt von Gedanken über Sinn und Unsinn von Literatursendungen und Literaturpreisen, Anekdoten intimer Begegnungen mit Schriftstellerinnen und Insidern und dem ein oder anderen skurrilen Moment: Scheck zitierte zwischen Arno Schmidt, T.S. Eliot und Michel Foucault Loriot "Früher war mehr Lametta" und Silverblatt las aus Arno Schmidts "Abend mit Goldrand" die englische Übersetzung von Bata Illics "Michaela". Während der DLF- und Fernsehkritiker von einer lebendigen deutschen Literaturszene schwärmte, fühlte der US-Literaturliebhaber "Bestrafung" für eine Gesellschaft, in der es als schick gilt, keine Bücher aus dem 19. Jahrhundert zu lesen.
Nach der Vorstellung gab mir Michael Silverblatt eine mögliche Erklärung für die überraschende Rollenverteilung zwischen optimistischem Deutschen und schwarz sehenden US-Amerikaner. Und erzählte, warum er fast ausschließlich nachts im Bett liest und zwar bis in die Morgenstunden.
Silverblatt und Scheck auf KCRW
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